Erfahrungswerte einer Atemtherapeutin bei Long‑Covid

Eine Therapeutin legt ihre Hände auf den Bauch einer auf dem Rücken liegenden Klientin.

Von Annegret Ruoff

In ihrem Alltag stellt Brigitte Ruff immer wieder fest, wie wenig die Menschen eigentlich über die Atemtherapie wissen. Dabei ist die auf den Atem spezialisierte Komplementärmethode gerade bei Corona und Long-Covid von hohem Nutzen.

Corona hat wenig Einfluss auf Brigitte Ruffs Arbeit

Für Brigitte Ruff geriet die Welt aufgrund von Corona nicht aus den Fugen. Sie behandelte ihre Klientinnen und Klienten in ihrer Praxis wie eh und je. «Natürlich war das Thema Corona in den Gesprächen omnipräsent und alles etwas aufwendiger aufgrund der Massnahmen», sagt die erfahrene Atemtherapeutin und Supervisorin. «Umso wichtiger war mir, mich wieder auf die Basis meiner therapeutischen Tätigkeit zurückbesinnen».

Symptome von Long-Covid sind nicht neu

Die Symptome, mit denen die Menschen mit Covid-Erkrankung oder Long-Covid zu ihr kamen, seien für sie ja nicht neu gewesen. «Das ganze Spektrum gibt es auch bei einer schweren Bronchitis oder anderen heftigen Infektionen», erklärt sie. Selbstverständlich könne sie nachvollziehen, dass die Definition eines neuen Krankheitsbilds auch Sicherheit gebe, hilfreich sei und beruhigend wirke. «Für mich aber stehen nicht die Symptome im Zentrum, sondern der Mensch im Hier und Jetzt», so Ruff.

Aufklärung und individuelle Behandlung

Bei ihrer Arbeit versucht Brigitte Ruff immer wieder, erstmal alles zu vergessen und einfach da zu sein, zu hören, zu spüren, zu sehen. Und sich zu fragen: «Worum geht es eigentlich?». In ihren Behandlungen leistet die Atemtherapeutin viel Aufklärungsarbeit. «Es bewirkt oft viel, wenn ich aufzeige, wie das Atmen überhaupt funktioniert», sagt sie. «Das gibt den Klientinnen und Klienten Sicherheit.» Dann probiere sie aus und schaue, was aus ihrem reichen Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten passe und Wirkung zeige.

Long-Covid-Betroffene haben oft mit Angst zu kämpfen

Bei den Erfahrungen mit Long- Covid-Betroffenen ist Brigitte Ruff vor allem ein Thema aufgefallen: die Angst. «Viele Menschen haben einen schweren Verlauf durchgemacht, sind traumatisiert und haben das Vertrauen in ihren Körper verloren», weiss sie. Das Zwerchfell sei blockiert, die Atmung werde vor allem durch die Hilfsmuskulatur vollzogen, auch stelle sie vermehrt Mundatmung fest. «Alles ist angespannt und verkrampft», sagt Brigitte Ruff. Dort setzt sie an, schafft Raum und Weite, lässt den Körper wieder erfahrbar werden und lenkt den Blick auf die Ressourcen und das grosse Ganze. «Angst macht eng», sagt die langjährige Atemtherapeutin. «Deshalb ist es mir ein Anliegen, meine Klientinnen und Klienten darin zu unterstützen, den Blick und die Wahrnehmung wieder zu öffnen.»

Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen

Ihren reichen Erfahrungsschatz hat Brigitte Ruff auch ins Netzwerk Altea eingespiesen. Die Online-Plattform wurde geschaffen, um Betroffenen wie Fachleuten Orientierung zu geben und den Austausch zu ermöglichen. «Mir war wichtig, Hilfreiches aus meinem Bereich beizusteuern», sagt sie. Dazu gehören etwa Atemübungen. «Dieses Miteinander ist wertvoll», betont die Atemfachfrau. Sie stärke die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Disziplinen wie Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Yogalehrer:innen und schaffte einen Pool, in dem man sich gegenseitig unterstützen könne. In ihrem Alltag stellt Brigitte Ruff immer wieder fest, wie wenig Menschen überhaupt von der Atemtherapie wissen. «Dabei haben wir Atemtherapeutinnen und -therapeuten gerade bei Long-Covid so viel zu bieten», ist Ruff überzeugt. «Wieder zu lernen, zu atmen und sich im Atem zu sammeln, das ist für die Betroffenen eine grosse Chance».